Reaktion des Eidgenössischen Departement des Inneren (EDI)

Ende des Vorbezugs der 2.-Säule für die Selbständigkeit - Stellungnahme des EDI

Der Bundesrat möchte den Bezug von Vorsorgegeldern aus der 2.-Säule für den Aufbau einer Selbständigkeit unterbinden. Er erhofft sich davon eine Einsparung von 8 Millionen Franken pro Jahr bei den Ergänzungsleistungen.

Im Artikel vom 1.12.2015 haben wir die Auswirkungen der geplanten Änderungen und ihre negativen Auswirkungen für die Umsetzung von Nachfolgeregelungen in der Schweiz und damit auch für den Wirtschaftsstandort Schweiz beleuchtet. Wie angekündigt haben wir das EDI mit unserer Einschätzung konfrontiert.

In seiner Stellungnahme verweist das EDI darauf, dass gegenüber der Studie des BSV von 2005 (http://www.bsv.admin.ch/praxis/forschung/publikationen/index.html?) nun neue Zahlen bezüglich des Erfolgs der mit Hilfe des Einsatzes von Geldern aus der zweiten Säule gegründet Unternehmen vorliegen. Demnach scheitern heute nicht mehr 10% sondern 20% dieser Unternehmen. Darüber hinaus vertritt das EDI die Meinung, dass wenn der Gründung des geplanten Unternehmens ein gutes Business Plan zugrunde liegt, der Rückgriff auf die zweite Säule nicht notwendig ist, da die Banken in diesem Fall gerne den Aufbau des Unternehmens finanzieren.

Darüber hinaus verweist das EDI in seiner Argumentation darauf, dass viele Menschen sich durch die Möglichkeit ein Unternehmen mit Geldern aus der zweiten Säule zu gründen, dazu gedrängt fühlen ein Unternehmen zu gründen, um der Arbeitslosigkeit oder einer drohenden Aussteuerung auszuweichen.

Nach Beurteilung von Unternehmens-Vermittler.ch geht die Argumentation des EDI an der Realität vorbei. Auch wenn die Quote der gescheiterten Gründungen nicht 10% sondern 20% beträgt, so gelingt über diesen Weg immer noch im Schnitt pro Jahr 3´376 Personen aus der Altersgruppe 50+ die Gründung eines erfolgreichen Unternehmens und damit der Aufbau einer neuen beruflichen Existenz. Beziehen nur 50% dieser Personen bis zum Renteneintritt für 4 Jahre Arbeitslosengeld und Ergänzungsleistungen in Höhe von durchschnittlich 50´000 CHF pro Jahr, ergeben sich Kosten in Höhe von 200 Millionen Franken pro Jahr. Und dies alles für die durch die Neuregelung erhoffte jährliche Einsparung von 8 Millionen. Leider hat das EDI zu diesen Berechnungen keine Stellung bezogen. Sehr befremdend wirkt auch die Einschätzung des EDI, dass die Banken bei einem guten Business Plan die Gründung eines Unternehmens finanzieren würden. Ausgerechnet jene Banken, die bei der betroffenen Altersgruppe schon die doch relativ sicher Finanzierung einer Immobilie nicht mehr unterstützen. Als ob diese bei der riskanteren Finanzierung einer Unternehmensgründung, dann ihre allseits bekannte Zurückhaltung hinten anstellen.

Auch die Einstellung, dass sich aus der heutigen Möglichkeit ein Unternehmen mit dem Geld aus der zweiten Säule zu gründen, ein Zwang für ältere Arbeitnehmer entstehen kann, diesen Schritt zu vollziehen und diese Möglichkeit daher besser abgeschafft werden sollte, ist befremdend. Hier handelt es sich doch nicht um eine Vorgabe, sondern einfach um eine Chance. Und es ist ja auch bereits bisher die Aufgabe der Behörden die vorgelegten Business Pläne zu prüfen und nur bei echten Erfolgschancen einer Auszahlung zuzustimmen. Hier müsste eine Reform ansetzen, wenn man die Kosten bei den Ergänzungsleistungen senken möchte. Wenn sich hier die Qualität der Beratung erhöht, könnten Gründungen mit geringen Chancen vermieden werden. Aber die Lösung kann doch nicht die komplette Abschaffung dieser in 80% der Fälle erfolgreich genutzten Chance sein.

Und völlig ausser Betracht lässt das EDI auch die Auswirkungen auf die Entwicklung der Unternehmerschaft in der Schweiz. Wenn pro Jahr 3´376 weniger erfolgreiche Unternehmen gegründet werden, gibt es auch 3´376 weniger Kandidaten für die Übernahme von anderen Unternehmen, für welchen ein Nachfolger benötigt wird. Dies multipliziert den negative Effekt der geplanten Reform nochmals.

Wir von Unternehmens-Vermittler.ch haben uns das Ziel gesetzt, heutige Unternehmer und Unternehmerinnen und zukünftige Unternehmer und Unternehmerinnen möglichst einfach zusammenzubringen. Dementsprechend beobachten wir das regulatorische Umfeld unserer Kunden und engagieren uns auch. Wir sind nun gespannt darauf, welche Auswirkungen die politischen Veränderungen und die neue Ressortverteilung im Bundesrat auf die geplante Reform haben werden. Wird auch bei der neuen konservativen Mehrheit im Parlament, dass einfache, kurzfristige Sparen Vorrang vor der Förderung des Unternehmertums haben?

Autor: Andrea Waeber